Depressionen: Unterschätzt und falsch behandelt
Das Deutschland-Barometer ‚Depression‘ brachte erschreckende Erkenntnisse mit sich. Demnach wurde die Diagnose bereits jedem fünften Beschäftigten gestellt. Häufig wird die Erkrankung aber verschwiegen und falsch behandelt.
Das 5. Deutschland-Barometer ‚Depression‘ der Stiftung Deutsche Depressionshilfe kommt zu Ergebnissen, die aufrütteln. So wurde bei jedem fünften Beschäftigten in Deutschland (20 Prozent) bereits die Diagnose ‚Depression‘ gestellt. Zudem geben weitere 19 Prozent der Deutschen an, schon einmal an einer Depression erkrankt gewesen zu sein – jedoch ohne ärztliche Diagnose. Und knapp jeder Siebte (15 Prozent) hat bereits einen Suizid oder Suizidversuch bei einem Kollegen bzw. einer Kollegin erlebt.
Wichtigste Ursachen für Depressionen
Gefragt nach den wichtigsten Ursachen, nennen die Betroffenen
- Belastungen am Arbeitsplatz (95 Prozent)
- Konflikte im Job bzw. mit Kollegen (93 Prozent)
- dauerhafte Erreichbarkeit (83 Prozent)
Hier warnen Experten allerdings vor einer Überschätzung des Einflussfaktors ‚Arbeit‘. „Während der Depression nehmen Betroffene alles wie durch eine dunkle Brille wahr und fühlen sich völlig erschöpft und durch die Arbeit überfordert. Häufig wird dann die Überforderung fälschlicherweise als Ursache und nicht als Folge der Depression angesehen“, so Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Diese vertauschten Kausalitäten würden auch dazu führen, dass Depressionen oft falsch behandelt würden. So glauben 68 Prozent, dass ein Urlaub aus der Krankheit heraushelfe. Weitere 63 Prozent vermuten, viel Schlaf helfe ihnen, die Depression zu überwinden.
Doch das Gegenteil ist der Fall, warnt Hegerl: „Langer Schlaf verschlechtert bei den meisten die Depression. Schlafentzug ist dagegen ein etabliertes Behandlungsverfahren in Kliniken. Auch Urlaub lindert die Depression nicht, da die Erkrankung mitfährt. Die Behandlung der Depression erfolgt gemäß den nationalen Leitlinien mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie.“
Die repräsentative zeigte auch, dass viele der Betroffenen wenig Unterstützung erhalten, um im Beruf wieder Fuß zu fassen. 61 Prozent der Befragten berichten, dass es in ihrem Unternehmen keine Erleichterungen bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz gab. Jeder Vierte (25 Prozent) nutzt eine stufenweise Wiedereingliederung, jeder Zehnte reduziert dauerhaft die Arbeitszeit.
Die Umfrage zeigt auch, wie wichtig der Einschluss psychischer Erkrankungen in die Absicherung der Arbeitskraft ist. Denn mittlerweile sind Erkrankungen der Psyche wichtigster Hauptgrund für neu bewilligte Berufsunfähigkeits-Renten. Beinahe jeder dritte BU-Leistungsfall resultiert aus Nervenerkrankungen. Auch bei Fragestellungen zu Reha und Wiedereingliederung können Versicherer gute Dienste leisten.
Über die Studie:
Für das 5. Deutschland-Barometer Depression wurden 5.283 Personen zwischen 18 und 69 Jahren aus einem repräsentativen Online-Panel befragt. Die Umfrage fand im September 2021 statt.