Darf ein Versicherer die Kaskosumme nur zur Hälfte zahlen, wenn ein Autofahrer ohne Winterreifen unterwegs gewesen ist und einen Unfall baute? Mit einem solchen Fall musste sich aktuell das Amtsgericht Papenburg auseinandersetzen. Die Sache ging für den Autofahrer noch einmal gut aus: Er bekommt den vollen Schaden ersetzt (Az.: 20 C 322/15).
Im verhandelten Rechtsstreit war ein Fahrer im Winter von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Zum Glück blieb der Mann nahezu unverletzt. Doch der Kasko-Versicherer weigerte sich, für den Schaden einzuspringen: Über 5.000 Euro kostete die Reparatur des Fahrzeuges. Hiervon wollte die Versicherung nur die Hälfte bezahlen. Über den Fall berichtet das Fachmagazin Procontra Online.
Winter, aber trockene Straße
Der Mann sei im Winter mit Sommerreifen unterwegs gewesen und trage so eine Mitschuld am Unfall, argumentierte die Versicherung. Die Leistungskürzung wollte sich der Mann nicht bieten lassen und zog vor Gericht. Die Begründung: Am Unfalltag hätten überhaupt keine winterlichen Verhältnisse geherrscht, die Straßen seien frei gewesen. Deshalb könnten die Sommerreifen auch nicht für das Zustandekommen des Unfalles verantwortlich gemacht werden.
Das Gericht gab dem Autofahrer recht. Die Versicherung hätte ihre Leistung gemäß Vertrag bzw. § 81 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) nur bei grober Fahrlässigkeit kürzen dürfen. Diese lag in diesem Fall aber nicht vor. Von grober Fahrlässigkeit sei auszugehen, „wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im konkreten jedem Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten dürfen“.
Kein Glatteis und keine generelle Winterreifenpflicht
Damit der Versicherer seine Leistung beschneiden darf, müsse dem Unfallverursacher auch ein „subjektiv erheblich gesteigertes Verschulden“ nachgewiesen werden, erklärten die Richter. In diesem Fall liege dieses aber nicht vor, weil der Gesetzgeber ja keine generelle Winterreifenpflicht festschreibt und es auf der Straße nicht glatt gewesen sei.
Zwar sei die Nutzung von Winterreifen aufgrund der Witterungsbedingungen (-1,8 Grad) geboten gewesen. Ein subjektiv gesteigertes Verschulden des Mannes hätte jedoch vorausgesetzt, dass er bereits vor dem Unfall mit Glatteis auf der Straße gerechnet hätte. Das sei nicht der Fall gewesen. Die Versicherung muss den kompletten Schaden zahlen.