Telefondiagnose kann Versicherungsschutz kosten
Covid-19 verursacht in der Bevölkerung viel Unsicherheit. Das betrifft auch die Frage, ob man bei einer anderen Erkrankung auf Reisen einen Arzt aufsuchen soll oder für eine Diagnose lieber zum Telefonhörer greift. Das aber kann ein Fehler sein, zeigt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts (AG) München (Az. 174 C 6951/20).
Insbesondere in Zeiten mit vielen Neuinfektionen sind die Praxen stark ausgelastet. Zudem fürchten viele Menschen eine Ansteckung im Wartezimmer. So erscheint es insbesondere in Risikogebieten vernünftig, zunächst einmal mit dem Hausarzt zu telefonieren. Das aber kann ein Fehler sein.
Bei einer schweren Krankheit, die zum Abbruch der Reise führt, sollte man nämlich dennoch einen Arzt vor Ort aufsuchen. Droht doch ansonsten der Verlust von Ansprüchen aus der Reiserücktrittsversicherung. Das musste auch ein Ehepaar erfahren, das in der ersten Hochphase der Corona-Pandemie ausgerechnet im schwer betroffenen Südtirol eine Skitour machte.
Das Paar hatte hierfür verschiedene Hotels gebucht, wollte über mehrere Tage eine weite Route abfahren. Der Mann allerdings stürzte schon kurz nach Antritt der Reise auf einer Loipe, erlitt schmerzhafte Verletzungen am Rücken, kontaktierte aus Südtirol seinen deutschen Hausarzt per Telefon.
Hausarzt riet telefonisch von Arztbesuch in Südtirol ab
Zu dieser Zeit war gerade eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Region ausgesprochen worden. Aus diesem Grund riet der Arzt davon ab, eine Klinik oder eine Arztpraxis vor Ort in Südtirol aufzusuchen – sicher ist bekanntlich sicher. Stattdessen empfahl er, gegen die Schmerzen zunächst Schmerzmittel zu nehmen.
Das Ehepaar befolgte den Rat und entschied sich zur schnellen Heimreise. Bestand doch die zusätzliche Gefahr, dass aufgrund der Pandemie Grenzen geschlossen werden. Das Paar flog also zurück und begab sich in Deutschland in Quarantäne. Ein Arzt wurde auch hier nicht aufgesucht.
Nun meinte das Ehepaar aber, es könne die bezahlten, aber nicht genutzten Teilleistungen der Pauschalreise in Höhe von 835,00 Euro sowie die geleistete Anzahlung für das stornierte Hotelzimmer in Höhe von 850,00 Euro von der Reiserücktrittsversicherung zurückfordern. Die Versicherung aber verneinte eine Einstandspflicht. Denn zwar regelten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) tatsächlich einen Anspruch auf anteilige Kosten für nicht in Anspruch genommene Leistungen. Das trifft aber nur zu bei einer schwere Erkrankung – diese muss dazu führen, dass die weitere Durchführung der Reise nicht mehr zumutbar ist.
Und es gehört zu den Obliegenheiten für die Reiserücktrittsversicherung, eine solche Krankheit durch Besuch eines Arztes zu beweisen. Weil dies unterblieb, verweigerte die Versicherung die Zahlung.
Das Ehepaar ging also vor Gericht – und verlor. Urteilte doch das Gericht: Eine Ferndiagnose, die einzig auf einer telefonischen Erörterung der Sachlage beruht, reiche auch in Corona-Zeiten als Beweis einer schweren Krankheit nicht aus. Stattdessen hätte der Mann tatsächlich vor Ort eine Praxis oder ein Krankenhaus aufsuchen müssen. Für eine Telefondiagnose muss eine Versicherung nicht zahlen.
Reisen in Corona-Zeiten: Guter Versicherungsschutz ist wichtig
Das Urteil zeigt: Gerade in Corona-Zeiten sollte man mit dem Versicherungsschutz auf Reisen nicht zu fahrlässig umgehen. Birgt die neue Situation doch Fallstricke, die bisher unbekannt waren. Zumal es viele weitere Situationen gibt, die Rat erfordern. Was ist zum Beispiel, wenn man im Urlaubsland in Quarantäne muss oder tatsächlich an Corona erkrankt? Welche Kosten drohen und wie kann man sich absichern? Die Pandemie-Zeit sollte also Anlass sein, sich vor Antritt einer Reise von einer Versicherungsexpertin oder einem Experten beraten zu lassen.
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